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Das geht unter die Haut

Der Insektenwahn hat manchmal eine ganz natürliche Erklärung – Springschwänze

Randy Yaskal aus Charlotteville war der festen Überzeugung, von winzigen Krabbeltieren befallen zu sein. Sechs- oder achtbeinige Lebewesen in seiner Haut quälten ihn, bis ins Fleisch. Er beschrieb sich selbst so, »als hätte jemand mit einer Schrotflinte auf mich geschossen«. Wenn er sich irgendwo kratzte, rieselten Schüppchen. Doch kein Mensch, vor allem kein Arzt, glaubte ihm, dass die Ursache dafür Parasiten sein könnten. Schon vor Jahren erhielt er die Diagnose: delusiory parasitosis – Insektenwahn. Also alles Einbildung.

Die Diagnose »Insektenwahn« wurde psychiatrisch erstmals im 19. Jahrhundert beschrieben. Heute ist das Phänomen als Ekbom-Syndrom, chronische taktile Halluzinose oder Entomophobie bekannt. Noch im Oktober 2003 mahnte die Medical Tribune Hausärzte, mit Betroffenen vorsichtig umzugehen: »Die Führung der Patienten erfordert besonderes Fingerspitzengefühl. Trotz negativer Befunde beharren sie meist auf dem Ungezieferbefall.« Sie verlören schnell das Vertrauen, und dann sei die Gefahr gefährlicher Eigenbehandlungen groß.

In Deutschland erwartet man unter einer Million Menschen etwa sechs mit Dermatozoen-Wahn. Tatsächlich liege »die wirkliche Zahl wohl viel höher«, sagt Roland Freudenmann von der psychiatrischen Universitätsklinik Ulm. »Trotz der scheinbar einfach erkennbaren Symptome dauert es im Mittel drei bis vier Jahre, bis die Diagnose steht.« So darf man das Syndrom etwa nicht mit dem Epizoonosen-Wahn, auch »Kokain-Käfer« genannt, mancher Kokain-Abhängiger verwechseln. Auch sie leiden nicht selten an nervlich bedingtem Juckreiz.

Im vergangenen Jahr nun nahm der Fall des Randy Yaskal eine überraschende Wendung, als Hautschuppen von ihm und einigen seiner Leidensgenossen zum Staatlichen Gesundheitsamt in Oklahoma sowie zum Naturkundemuseum in New York gelangten. Dort entsannen sich die Medizinerin Deborah Altschuler und der Insektenkundler Louis Sorkin einiger Versuche des verstorbenen rumänischen Veterinär-Parasitologen Neculai Dulceanu. Der hatte schon mehrfach in der Haut vermeintlich psychisch Kranker winzige Insekten gefunden. So entdeckte man in der Haut einer 80-jährigen Frau alle Entwicklungsstadien (Eier, Puppen, erwachsene Tiere) von Collembolen (Springschwänzen). Die flügellosen Insekten haben es gern warm und feucht.

Die Wissenschaftler wollten es nun genauer wissen. Sie baten zwanzig Freiwillige, die als uneinsichtig-verbohrte Insektenwahn-Patienten galten, aber weder an Läusen noch an Krätze litten, zur Hautprobe. Und die Beobachtungen des Rumänen bestätigten sich: Bei 18 der 20 untersuchten Patienten lebten tatsächlich Collembolen – wieder in allen Entwicklungsstadien – in und unter der Haut. Sind die Springschwänze Ursache des Juckens und Stechens? Hat der angebliche Wahn also eine reale Ursache?

Franz Jannssens von der Universität Antwerpen hatte schon vor Jahren das Wissen über menschennah auftretende Springschwänze zusammengetragen und ermittelt, dass die Tierchen sehr häufig Gäste in menschlichen Behausungen sind. Auf manchen Duschvorhängen bilden sie einen echten Collembolen-Teppich; oder sie wandern zu Tausenden in Wohnungen ein, wenn es ihnen draußen zu ungemütlich wird. Dennoch krabbeln sie nicht jedem unter die Haut. Das US-Forscherteam vermutet, dass die Haut der Befallenen schon vorher durch Pilze, Sporen, Pollen oder andere Allergene angegriffen ist. Die Springschwänze nisten sich dann in »bereits bestehende Wunden ein«.

Das klingt zwar eklig, ist aber ein gewisser Trost für die Betroffenen. »Wenigstens hält mich nun niemand mehr für irre«, sagt Randy Yaskal.

Mark Benecke arbeitet international als Kriminalbiologe

 

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